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Der Geier - beispielhafter Bürger unter armen Schafen

Wo gut Beute ist, lassen Jäger nicht lange auf sich warten. Die alte Frage stellt sich immer wieder: Wer war eher da - Ei oder Henne? Speziell für den Geiersberg ist also fraglich: Waren die Geier auf dem Berg bereits angesiedelt, bevor die nahe Lammsgasse so benannt wurde oder hatte man den Geier verehrt und liebevoll mit taufrischen Lämmern gefüttert? Und nur Ostern gestattete man sich selbst das lammfromme Vergnügen?
Der Geier scheint sich mit friedvollem Flügelwinken bei seinem Wirt zu bedanken. Die Speise ist noch nicht gar, noch kein begehörtes Gammelfleisch. Das ist recht professionell in dem ungläubigen Gesichtsausdruck des Lamms ausgedrückt, über dessen zarte Unterlippe noch frischer Speichel rinnt.

Die Anwohner haben sich an dieses Schauspiel längst gewöhnt, registrieren aber aufmerksam jede Annäherung eine Nichtgeierbergers: Sollte der nicht das nächste Opfer sein?
Beklemmend lustig geht es in diesem etwas lichtem Areal zur, gut geeignet zum Abheben. Die kelchfrmige Brunnenschale voller Speisereste suggeriert: Dieser Vogel steht gut im Futter. Er kann notfalls für sich selber sorgen. Der Geier ist ein guter Bürger. Deshalb wird er verehrt und erhält eine exponierte Futterstelle, zumal er oder SIE mit Mut zum Erfolg für Nachwuchs sorgte.
Behutsam umkranzt von einem schmiedeeisernen Kunstgitter mit Renaissance-Ornamenten, wird er einem seiner Nachkommen sein Grundstück vererben. Die anderen werden sich in der Welt bewähren müssen, wo auch immer weiß allein der Geier. Und nur der Geier mit dem schärfsten krummen Schnabel - Bronze reicht dafür nicht - wird ein ähnliches Postament in Besitz nehmen.
Wärend sich im 19. Jh. das Interesse des Kunstmenschen dem Geier zuwandte, könnte man sich inzwischen gut einen Heuschreckenbrunnen vorstellen. Das ist leider bildnerisch kaum zu realisieren und dafür gäbe es auch keine Honoratioren.
Ein überzeugendes Kunstwerk somit. Es gibt nichts Besseres mit ählicher Theamatik.

Geiersbrunnen

Entwurf: Heinrich Schwabe 1890, Ausführung: Erzgieerei Lenz
zuletzt gesehen: Geiersberg in Nürnberg
Text: BHS